
Israel spricht von Hamas-Stützpunkt Erneuter Angriff auf Klinik in Gaza-Stadt
Israels Armee hat bei Luftangriffen in Gaza-Stadt erneut ein Krankenhaus getroffen. Sie vermutet eine Hamas-Kommandozentrale in dem Gebäude. Zuvor hatte die Regierung bekannt gegeben, den Einsatz im Gazastreifen auszuweiten.
Bei israelischen Luftangriffen im Gazastreifen ist palästinensischen Angaben zufolge ein Krankenhaus getroffen und teilweise zerstört worden. Die israelische Luftwaffe habe nach Mitternacht ein Gebäude des Al-Ahli-Krankenhauses in Gaza-Stadt angegriffen, erklärte die von der Terrororganisation Hamas kontrollierte Zivilschutzbehörde. Krankenhausmitarbeiter berichten laut der Nachrichtenagentur Reuters von zwei israelischen Raketen, die Teile der Gebäude zerstört haben.
Die israelische Armee bestätigte die Berichte inzwischen und teilte der Nachrichtenagentur AFP mit, dass sie den Vorfall untersuche. Ziel sei eine Kommandozentrale der Hamas im Al-Ahli-Krankenhaus gewesen, teilten das Militär und der Inlandsgeheimdienst Schin Bet mit. Mitglieder der Terrororganisation hätten von dort Anschläge ausgeführt und geplant, die auch israelischen Zivilisten gegolten hätten. Einzelheiten dazu nannte das Militär nicht.
Insgesamt habe die israelische Luftwaffe in den vergangenen 48 Stunden mehr als 90 Ziele im Gazastreifen angegriffen. Attackiert wurden Waffenlager, Terrorzellen und Anlagen, von denen am Samstag Geschosse in Richtung Israel abgefeuert worden waren, hieß es.
Zivilschutz: Nur wenige Minuten zwischen Warnung und Angriff
Der Angriff auf das Krankenhaus erfolgte "nur wenige Minuten nach der Warnung der Armee, das Gebäude zu evakuieren, in dem sich Patienten, Verletzte und ihre Begleiter befanden", erklärte der Zivilschutz. Dabei seien das Operationsgebäude und die Station für die Sauerstofferzeugung für die Intensivstationen zerstört worden.
Israel wiederum erklärte, die Armee habe vor dem Angriff Schritte unternommen, um Zivilisten zu schonen und Schäden an der Klinik in Gaza-Stadt möglichst gering zu halten. So habe es vorab unter anderem eine Warnung gegeben.
Augenzeugen bestätigten der Nachrichtenagentur dpa, dass die Armee die Krankenhausverwaltung vor dem Angriff aufgefordert habe, die Klinik zu evakuieren. Patienten und Angestellte hätten 18 Minuten Zeit gehabt, das Krankenhaus zu verlassen, meldete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa unter Berufung auf Augenzeugen.
Kirche verurteilt Angriffe
Die anglikanische Kirche in Jerusalem verurteilte die beiden Raketenangriffe auf das von ihr geführte Al-Ahli-Krankenhaus. Teile des Krankenhauses und umliegender Gebäude, darunter die Kirche, seien teilweise stark beschädigt worden. Ein Kind mit einer Kopfverletzung sei "infolge des überstürzten Evakuierungsprozesses" gestorben. Nach Angaben der Kirche wurden das Genlabor des Krankenhauses zerstört, die Notaufnahme sowie die krankenhauseigene Apotheke beschädigt.
Es handelt sich laut Angaben der Kirche um den fünften Angriff auf das Krankenhaus seit Beginn des Gazakriegs im Oktober 2023. Die Kirche rief "alle Regierungen und Menschen guten Willens" auf, "einzugreifen, um alle Arten von Angriffen auf medizinische und humanitäre Einrichtungen zu stoppen". Seit Beginn des Krieges zwischen der Hamas und Israel sind Krankenhäuser im Gazastreifen wiederholt Ziel von Angriffen geworden.
Nach Angaben des Chefs der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, mussten 50 Patienten verlegt werden, 40 Schwerkranke hätten vor dem Angriff nicht transportiert werden können. Das Krankenhaus könne ohne Reparaturen keine neuen Patienten aufnehmen. "Angriffe auf die Gesundheitsversorgung müssen aufhören", so Tedros. Er forderte zudem ein Ende der israelischen Blockade von Hilfslieferungen.
Rafah vollständig umzingelt
Vor den neuen Angriffen hatte Israel die Einnahme der zwischen den Städten Rafah und Chan Yunis gelegenen sogenannten Morag-Korridor bekannt gegeben und erklärt, es werde die Angriffe im Gazastreifen ausweiten. Die Regierung will nach eigener Darstellung eine größere Pufferzone entlang seiner Grenze schaffen.
Die Stadt Rafah ist nach Angaben eines Sprechers nun vollständig vom Militär eingeschlossen. Mit der Eroberung des sogenannten Morag-Korridors sind die Städte Rafah und Chan Yunis im Süden voneinander getrennt. Zusammen mit dem weiter nördlich gelegenen Netzarim-Korridor entsteht so faktisch eine Dreiteilung des Gazastreifens.

UN warnen vor Vertreibung
Nach UN-Angaben werden dadurch Hunderttausende Palästinenser in ein immer kleineres Gebiet an der Mittelmeerküste zurückgedrängt, wo sie kaum oder gar keinen Zugang zu Wasser, Nahrung und Unterkünften hätten.
Eine vorübergehende Evakuierung von Zivilisten in bestimmten Gebieten könne zwar unter strengen Bedingungen legal sein. "Art und Umfang der Evakuierungsbefehle geben jedoch Anlass zu der ernsthaften Besorgnis, dass Israel beabsichtigt, die Zivilbevölkerung dauerhaft aus diesen Gebieten zu vertreiben, um eine sogenannte Pufferzone zu schaffen", sagte die Sprecherin des Büros, Ravina Shamdasani, am Freitag in Genf. Eine Zwangsvertreibung verstoße gegen die Genfer Konventionen zum Schutz der Zivilbevölkerung unter einer Besatzungsmacht. Das sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Das Militär hatte Mitte März seinen Einsatz im Gazastreifen wieder aufgenommen und seine massiven Luftangriffe auf Ziele der Terrororganisation Hamas fortgesetzt. Die Regierung will größere Gebiete des Gazastreifens dauerhaft unter ihre Kontrolle bringen.
Seither wurden nach Schätzung des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA fast 400.000 Menschen innerhalb des abgeriegelten Gazastreifens vertrieben. Insgesamt leben in dem dicht besiedelten Gebiet am Mittelmeer etwa zwei Millionen Menschen.