
Eskalation in Nahost Mehrere Tote durch iranische Angriffe auf Israel
Israel und der Iran überziehen sich weiter gegenseitig mit Angriffen - und ein Ende der Kämpfe ist nicht in Sicht. In Israel gibt es inzwischen mindestens 13 Tote. Dort wurde vor allem die Stadt Bat Yam südlich von Tel Aviv schwer getroffen.
In Israel sind bei erneuten Angriffen des Iran mindestens 13 Menschen getötet worden. Die Opferzahl könnte noch steigen. Unter den Trümmern zerstörter Wohnhäuser wird nach Verschütteten gesucht.
Es waren zwei heftige Angriffswellen aus dem Iran, die die Menschen in Israel während der Nacht erlebten, berichtet ARD-Korrespondent Julio Segador. Zunächst startete der Iran demnach kurz vor Mitternacht eine Angriffswelle mit ballistischen Raketen. Gegen zwei Uhr morgens folgten dann weitere Attacken mit Raketen und Drohnen. Zwar hätten die meisten Raketen vom israelischen Abwehrsystem abgefangen werden können. In Tel Aviv und anderen Orten wurden dennoch Einschläge verzeichnet.
Wohnhäuser in mehreren Städten Israels getroffen
Keine andere Stadt in Israel sei von den iranischen Angriffen so schwer getroffen worden wie Bat Yam, südlich von Tel Aviv, hieß es von ARD-Korrespondent Segador weiter. Hier wurde ein mehrstöckiges Gebäude schwer getroffen. Bislang wurden sechs Leichen aus den Trümmern geborgen. Dutzende Menschen wurden bei den Angriffen verletzt. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge gelten zudem 35 Personen als vermisst.
Auch in anderen Städten Israels wie Tel Aviv oder Jerusalem sollen iranische Raketen Wohnhäuser getroffen haben. Die Nachrichtenagentur dpa berichtete von landesweit mindestens 370 Verletzten. Die genauen Opferzahlen sind derzeit nicht bekannt. In den Trümmern der zerstörten Gebäude suchen Rettungskräfte nach wie vor nach möglichen Verschütteten.
Nahe Haifa im Norden Israels wurde auch eine Ölraffinerie beschädigt. Auch hier konnte das israelische Abwehrsystem die ballistischen Raketen aus dem Iran nicht abfangen.
Fluggesellschaft El Al stoppt Buchungen bis Ende Juni
Israel hatte bereits am Freitag nach dem ersten Militärschlag gegen den Iran in Erwartung der Gegenangriffe den Ausnahmezustand ausgerufen. Auch der Flugverkehr wurde vorerst ausgesetzt, der Betrieb auf dem größten Flughafen Ben Gurion eingestellt. Die israelische Fluggesellschaft El Al kündigte nun an, bis voraussichtlich zum Monatsende keine Buchungen für Flüge nach und aus Israel anzunehmen. Die Regelung solle so lange in Kraft bleiben, bis sich die Sicherheitslage gebessert habe.
Die Airline will eigenen Angaben zufolge aber mögliche Rückholflüge vorbereiten - für israelische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren wollen sowie für ausländische Bürgerinnen und Bürger, für die derzeit eine Ausreise aus Israel nicht möglich ist. Buchungen für diese Flüge sollen über eine spezielle Webseite möglich sein, sobald es eine Genehmigung für die Wiederaufnahme des Flugbetriebs gibt.
Erneut Angriffe auf iranische Hauptstadt Teheran
Auch Israel setzte seinen Militäreinsatz gegen den Iran fort. Angaben der Armee zufolge richteten sich die Angriffe ausschließlich gegen militärische Ziele und Anlagen, die im Zusammenhang mit dem iranischem Atomprogramm stehen. So hätten israelische Streitkräfte in der iranischen Hauptstadt Teheran in der Nacht mehr als 80 Ziele attackiert, darunter das Verteidigungsministerium sowie "Infrastruktureinrichtungen des iranischen Atomwaffenprojekts" und Öllager. Zu den Zielen in Teheran habe auch das Hauptquartier einer staatlichen Atom-Forschungsorganisation gehört.
Die iranische Nachrichtenagentur Tasnim, die als Sprachrohr der iranischen Revolutionsgarden gilt, bestätigte, dass im Norden der iranischen Hauptstadt eine militärische Forschungseinrichtung getroffen worden sei. Auch Angriffe auf das Kommando des Verteidigungsministeriums wurden im Iran gemeldet. Im Nordwesten Teherans gerieten zudem Teile eines Öllagers in Brand.
Weitere Generäle des iranischen Militärs getötet
Auch zu den Opferzahlen im Iran kursieren unterschiedliche Berichte. Am Samstag bezifferte die iranische Führung die Zahl der Verletzten mit mindestens 800 seit Beginn der israelischen Angriffe. Der iranische UN-Botschafter Amir Saeid Iravani sprach von mindestens 100 Todesopfern.
Zu den Todesopfern zählen auch mehrere ranghohe Militärs, darunter der Generalstabschef Mohammed Bagheri und der Kommandeur der mächtigen Revolutionsgarden, Generalmajor Hussein Salami. Am Nachmittag bestätigten die Revolutionsgarden den Tod sechs weiterer Generäle. Es handele sich um ranghohe Kommandeure der iranischen Armee. Damit erhöhe sich die Zahl der Todesopfer in den Reihen der Militärführung auf mindestens 14.
Israel ruft zu Evakuierungen im Iran auf
Ein Ende der gegenseitigen Angriffe ist derzeit nicht abzusehen. Berichten des iranischen Rundfunks zufolge startete Israel am Nachmittag eine weitere Angriffswelle auf Teheran. Nahe des Flughafens Mehrabad sowie in der Nähe eines Hotels im Norden der Stadt habe es Explosionen gegeben.
Kurz zuvor hatte der israelische Verteidigungsminister Israel Katz weitere Attacken angekündigt - mit dem Ziel, "die iranische Schlange in Teheran und sonst wo von nuklearen Fähigkeiten und Waffensystemen zu enthäuten". Das israelische Militär rief die iranische Bevölkerung, die in der Nähe von militärischen Zielen wie etwa Waffenfabriken lebt, dazu auf, sich in Sicherheit zu bringen. Bereits nach den ersten israelischen Angriffen in der Nacht zu Freitag hatte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu angekündigt, der Militäreinsatz gegen den Iran werde voraussichtlich mehrere Tage dauern.
Auch der ehemalige israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant rechtfertigte das militärische Vorgehen seines Landes als notwendigen Schlag gegen die Bestrebungen des Iran nach nuklearer Aufrüstung. "Stellen Sie sich vor, jede einzelne der Raketen, die hierher kommt, hätte einen nuklearen Sprengkopf. Die Iraner sind nicht weit davon entfernt", warnte er und betonte: "Wir konnten nicht tatenlos daneben stehen. Wir mussten handeln."
Irans Außenminister spricht von "Selbstverteidigung"
Der iranische Außenminister Abbas Araghtschi bezeichnete die Angriffe auf Israel hingegen als einen Akt der "Selbstverteidigung" gegen "ausländische Aggressionen". Wenn diese "Aggressionen" gestoppt würden, würde auch die Reaktion des Iran enden.
Araghtschi bekräftigte den Vorwurf, die USA seien im Vorfeld über den Militäreinsatz Israels informiert gewesen und hätten den Angriffen zugestimmt. Am Samstag hatte der Iran neben den USA auch anderen Verbündeten Israels wie Großbritannien oder Frankreich mit Angriffen gedroht, sollten sie die israelischen Angriffe unterstützen. Von Araghtschi folgte nun die Forderung, die USA sollten die israelischen Attacken auf iranische Nuklearanlagen verurteilen, um im Versuch, ein neues Atomabkommen mit dem Iran auszuhandeln, guten Willen zu beweisen.
Eigentlich hätte heute die nächste Verhandlungsrunde in den seit rund zwei Monaten andauernden Gesprächen über einen Atomdeal zwischen den USA und dem Iran stattfinden sollen. Nach Beginn der israelischen Angriffe hatte der Iran seine Teilnahme jedoch abgesagt. Araghtschi dementierte bei einem Treffen mit Diplomaten erneut, dass die iranische Führung den Bau von Atomwaffen anstrebe - eben jenen Vorwurf, den Israel für seinen Militärschlag nutzt. Auch die USA wollen mit dem neuen Atomabkommen einem möglichen nuklearen Aufrüsten des Iran entgegenwirken. Der Iran selbst hatte stets betont, nukleare Technologie nur zu friedlichen Zwecken zu nutzen. Wenn der Zweck eines Atomabkommens darin bestehe, "den Iran seiner nuklearen Rechte zu berauben, dann sind wir natürlich nicht bereit, ein solches Abkommen zu akzeptieren", betonte der iranische Außenminister.