
Irak im Schatten des Nahost-Kriegs Angst vor dem Ende der Ruhe
Im Irak löst der Krieg zwischen dem Nachbarn Iran und Israel Beklommenheit aus. Die Menschen fürchten eine Ausweitung des Konflikts auf ihr Land - und ein Ende der gerade zurückerlangten relativen Sicherheit.
Unzählige israelische und iranische Raketen und Drohnen haben den Luftraum über dem Irak seit vergangener Woche durchquert. Israel und der Iran beschießen einander fortwährend, auf irakischem Gebiet gehen Trümmer von Geschossen nieder.
Mittlerweile gibt es Proteste im Land. "Nein zu Israel, nein zu Amerika", skandieren Zehntausende nach dem Freitagsgebet in Bagdad. Es sind Anhänger des radikalen schiitischen Geistlichen Muktada al-Sadr. "Unser Anführer hatte schon Israels Aggression gegen den Libanon und gegen den Jemen verurteilt, jetzt richtet diese sich auch gegen das wehrlose iranische Volk", sagt al-Sadrs Sprecher, Ibrahim al-Jabri.
Verbundenheit mit ehemaligem Kriegsgegner
Den Irak verbindet eine wechselhafte Geschichte mit seinem iranischen Nachbarn. Das Verhältnis ist trotz des Kriegs zwischen den beiden Ländern in den 1980er-Jahren historisch eng. Viele Iraker fühlen sich dem Nachbarland verbunden, allein auf Grund der Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Iraker Schiiten sind, so wie die meisten Menschen im Iran.
Allerdings unterstützen längst nicht alle irakischen Schiiten den radikalen al-Sadr. "Ich bin gegen Krieg und Zerstörung, vor allem wenn sie ein islamisches Land treffen", sagt Nadia, die im alten Zentrum von Bagdad Modeschmuck verkauft. "Aber der Iran hat dem Irak viel Schaden zugefügt. Ich wäre froh, wenn er hier jetzt Einfluss verlieren würde."
Iraker fürchten Angriff auf US-Militärstützpunkte im Land
Die irakische Politik wird von Teheran-treuen Parteien bestimmt. Nur mit ihrer Hilfe kann der parteilose irakische Ministerpräsident Mohammed al-Sudani regieren. Zudem finanziert und bewaffnet der Iran schiitische Milizen im Irak als Teil seiner "Achse des Widerstands" - ebenso wie die Hisbollah im Libanon, die Huthi im Jemen und die Hamas im Gazastreifen.
Jüngst hat der Chef einer solchen Miliz den USA mit Angriffen auf US-amerikanische Staatsbürger gedroht, sollte Israel Irans Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei nach dem Leben trachten.
Nadia fürchtet den Iran mehr als ein Eingreifen der USA zugunsten Israels in den Krieg. Nadias Nachbar, der Buchhändler Ali Abbas, hofft dagegen, dass Amerika außen vor bleibt - aber nicht aus ideologischen Gründen: "Im Irak gibt es amerikanische Militärstützpunkte", sagt Abbas. "Sollten die USA in den Krieg einsteigen, würde Iran diese Stützpunkte angreifen und wir Iraker wären mittendrin. Wir wären die Opfer."
"Es war Ruhe eingekehrt (...) und nun das!"
Gerade jetzt, da der Irak sich endlich zu erholen scheint. Nachdem die Amerikaner und ihre Verbündeten 2003 wegen angeblicher Massenvernichtungswaffen einmarschierten und Diktator Saddam Hussein stürzten, folgten Jahres des Kampfes, der Besatzung, der Anschläge, des Bürgerkrieges.
Heute werden in Bagdad neue Hochhäuser hochgezogen, entstehen überall Schnellstraßen. "Wir haben doch gerade erst wieder begonnen, uns sicher zu fühlen", sagt der Maler Dia Alwan, der seine Bilder in Ali Abbas' Buchhandlung ausstellt. "Es war Ruhe eingekehrt im Irak, die Menschen fühlten sich endlich freier, trotz aller Probleme. Und nun das!"
Irak braucht Ruhe und Stabilität. Doch genau das könnte jetzt wieder auf dem Spiel stehen.